Essen retten

Von Redaktion · · 2015/10

Teilen liegt im Trend. Wie sich „Foodsharing“ gegen Lebensmittelverschwendung einsetzen lässt, hat Jürgen Plank herausgefunden.

Ein Fahrradladen im 4. Wiener Gemeindebezirk. Zwischen Gangschaltungen und Zubehör steht hier ein Kühlschrank, ein so genannter „Fair-Teiler“. Er gehört zum zehn Standorte umfassenden Netzwerk von Foodsharing in der Bundeshauptstadt. Aus den Kühlschränken, österreichweit gibt es 41, können gratis Lebensmittel entnommen werden. Wer Nahrung hinein gibt, muss streng auf Hygiene achten, leicht Verderbliches wie Fisch oder Fleisch soll nicht geteilt werden.

Wer nutzt die öffentlich zugänglichen Kühlschränke? „Bedürftige machen genauso mit wie Menschen, die gegen das Wegwerfen von Nahrung sind“, sagt Andrea Beltrame, die seit dem Beginn 2013 bei Foodsharing Österreich aktiv ist.

900 EssensretterInnen. Wer sich aktiv gegen die Lebensmittelverschwendung einsetzen möchte, kann – nach einer Registrierung auf foodsharing.at – zum „Foodsaver“ werden, zum Retter von Lebensmitteln vor der Mülltonne. Online vermerken die „Foodsaver“, wann sie wo Essen abholen – bei Händlern, in Lokalen oder Betrieben. In Wien sind rund 400, österreichweit rund 900 EssensretterInnen im Einsatz. „Die Foodsaver holen überschüssige Lebensmittel ab und verteilen sie weiter“, erklärt Beltrame. Die Menge liegt jeweils zwischen 1 und 20 Kilogramm; täglich werden Obst, Gemüse, Nudeln, Reis und Brot, aber auch Milchprodukte gerettet. Allein in Wien wurden heuer so bereits zwei Tonnen Lebensmittel umverteilt. Angesichts von rund 160.000 Tonnen Nahrung im Wert von etwa einer Milliarde Euro, die jährlich bei uns entsorgt werden, besteht noch Spielraum nach oben.

Weltweite Lebensmittelverschwendung

In den Ländern der Europäischen Union landen jedes Jahr rund 90 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Das Europäische Parlament hat 2012 angekündigt, diese Zahl bis 2025 halbieren zu wollen. Weltweit werden – der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) zufolge – jährlich 1,3 Milliarden Tonnen weggeworfen. Für die Produktion dieser Lebensmittel werden 28 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen und 250 Kubikkilometer Wasser verwendet und es fallen 3,3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid an. FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva schlägt das Recycling von Nahrungsmitteln vor. Das EU-Parlament wollte 2014 zum Jahr gegen die Lebensmittelverschwendung machen. Daraus wurde nichts, weil die politische Einigkeit fehlte. J.P.

Virtuelle Essenskörbe. Aktuell verbreitet sich das Konzept in Europa: Vom Beginn in Deutschland 2012 über Österreich und die Schweiz bis nach Ungarn, Spanien und Italien. Foodsharing Österreich wurde von der Wiener Tafel mitbegründet, die soziale Einrichtungen mit geretteten Lebensmitteln beliefert. Foodsharing ist sozusagen das kleinere Pendant: „Die Wiener Tafel leitet Betriebe an uns weiter, die für sie nicht relevant sind, weil es um zu kleine Mengen geht“, sagt Walter Albrecht von Foodsharing Österreich.

Auch wer mal zu viel gekocht hat, kann seinen Überschuss in einen virtuellen Essenkorb eintragen und zur Abholung zur Verfügung stellen.

Einkaufszettel schreiben. Damit es gar nicht zum Wegwerfen von Lebensmitteln kommt, hat Walter Albrecht einige Tipps parat: „Immer einen Einkaufszettel schreiben und sich daran halten.“ Zweitens: „Statt auf das Mindesthaltbarkeitsdatum zu schauen, den eigenen Sinnen vertrauen.“ Und: „Auch Milchprodukte sind oft Wochen länger haltbar als das Datum angibt.“

Sich über die eigene Verschwendung von Lebensmitteln klar zu werden ist ein wichtiger erster Schritt – damit in Zukunft weniger Essen im Müll landet. Mahlzeit!

www.foodsharing.at

Jürgen Plank ist Ethnologe, Musiker, DJ.

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